Die Malerei kennt zahlreiche Techniken, die sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt haben. Von der akribischen Schichtmalerei der flämischen Altmeister bis zu den spontanen Pinselstrichen des Impressionismus – jede Epoche brachte ihre eigenen Methoden hervor. Eine dieser faszinierenden Techniken ist „Alla Prima“, auch bekannt als Direktmalerei.
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Der Begriff stammt aus dem Italienischen und bedeutet wörtlich „auf das Erste“ oder „auf Anhieb“. Er beschreibt eine Malweise, bei der der Künstler das Gemälde in einem Malvorgang vollendet, ohne wiederholt Schichten übereinander aufzutragen und trocknen zu lassen. Diese Methode steht für Frische, Spontaneität und Lebendigkeit – Eigenschaften, die besonders in der modernen Kunst geschätzt werden, die ihren Ursprung jedoch bereits im Barockzeitalter findet.
1. Herkunft und geschichtlicher Hintergrund
1.1 Die Ursprünge im Barock

Obwohl die Alla-Prima-Technik häufig mit Impressionisten wie Claude Monet oder Édouard Manet in Verbindung gebracht wird, liegen ihre Wurzeln viel früher. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert verwendeten Maler in Italien und Flandern Ansätze, die wir heute als Alla Prima definieren würden.
- Tizian (1490–1576) soll in seinen späten Jahren eine spontane Malweise bevorzugt haben, bei der Farben nass-in-nass aufgetragen wurden.
- Die flämischen Meister wie Frans Hals oder Rubens nutzten schnelle, lebendige Pinselstriche, um bewegte Szenen und Porträts lebendig wirken zu lassen.
Die eigentliche Revolution bestand darin, dass Künstler nicht mehr auf langsame Lasurmalerei angewiesen waren, wie sie in der Renaissance üblich war. Stattdessen vertrauten sie zunehmend auf die unmittelbare Wirkung von Farbe und Pinselführung.
1.2 Der Aufstieg im Impressionismus
Im 19. Jahrhundert wurde Alla Prima zum regelrechten Markenzeichen einer ganzen Kunstrichtung: dem Impressionismus. Maler wie Monet, Renoir und Cézanne wollten keine makellosen, perfekten Oberflächen schaffen, sondern flüchtige Eindrücke von Licht und Atmosphäre festhalten.
Die Technik eignete sich hervorragend, um unter freiem Himmel (en plein air) zu malen, da sie schnelle Ergebnisse ermöglichte. Statt monatelang an einem Bild zu arbeiten, entstanden Impressionen oftmals in wenigen Stunden.
1.3 Einfluss auf die Moderne
Später griffen auch Künstler der Moderne – etwa Vincent van Gogh oder Jackson Pollock – auf Prinzipien der Alla-Prima-Malerei zurück. Van Gogh etwa nutzte die Nass-in-Nass-Technik, um seine charakteristischen, dicken Pinselstriche zu setzen. Pollock trieb die Direktmalerei auf die Spitze, indem er Farbe unmittelbar und gestisch auf die Leinwand tropfen ließ.
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2. Technische Grundlagen von Alla Prima
2.1 Definition: Was bedeutet „Direkt auf Leinwand“?
Im Kern bedeutet Alla Prima:
- Nass-in-Nass-Technik: Farben werden aufgetragen, solange die darunterliegende Farbe noch nicht getrocknet ist.
- Verzicht auf Schichtenmalerei: Keine Grundierungsschichten, Lasuren oder lange Trocknungszeiten.
- Spontane Korrekturen: Künstler können während des Malprozesses direkt Änderungen vornehmen, solange die Farbe frisch bleibt.
2.2 Materialien
Für Alla-Prima-Malerei eignen sich bestimmte Materialien besonders:
- Ölfarben: Sie trocknen langsam und erlauben, mehrere Stunden oder sogar Tage im Nass-in-Nass-Modus zu arbeiten.
- Acrylfarben: Weniger geeignet, da sie schneller trocknen – es sei denn, sie werden mit speziellen Medien verlängert.
- Leinwand oder Holztafeln: Bieten die Oberfläche für spontane Bewegungen.
2.3 Arbeitsweise
Die Vorgehensweise lässt sich oft so beschreiben:
- Skizze oder Grundstruktur: Manche Künstler beginnen mit einer lockeren Zeichnung, andere direkt mit Farbe.
- Große Formen zuerst: Zuerst werden Flächen und Tonwerte gesetzt.
- Details am Ende: Kleine Akzente und Lichtpunkte werden zuletzt ergänzt.
Im Unterschied zu Schicht-Techniken wie Grisaille oder Lasur bleibt bei Alla Prima jede Entscheidung permanent sichtbar. Fehler können nicht versteckt werden – was Authentizität und Ausdrucksstärke verstärkt.
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3. Vorteile und Besonderheiten
Die Alla-Prima-Technik bietet eine Reihe von Vorteilen – sowohl für Künstler als auch für Betrachter.
3.1 Spontaneität und Lebendigkeit
Ein Alla-Prima-Gemälde wirkt oft energiegeladen und ungekünstelt. Jeder Strich vermittelt Unmittelbarkeit und die Emotionen des Künstlers zum Zeitpunkt des Malens.
3.2 Zeitersparnis
Künstler können ein fertiges Werk in wenigen Stunden schaffen – im Gegensatz zu mehrschichtigen Techniken, die teils Monate dauern.
3.3 Ausdruckskraft
Die Technik ermutigt Künstler, mutige Entscheidungen zu treffen. Statt endlosen Korrekturen zählt der spontane Ausdruck. Dies verleiht den Bildern authentische Intensität.
4. Kritik und Herausforderungen
Natürlich bringt Alla Prima auch Herausforderungen mit sich:
- Schwierige Korrekturen: Da alles nass ist, kann Überarbeitung oft zu „Matschigkeit“ führen.
- Hohe Konzentration nötig: Fehler lassen sich schwer kaschieren, daher erfordert die Technik Übung.
- Weniger Kontrolle: Wer akribische Perfektion sucht, stößt hier schnell an Grenzen.
5. Meisterwerke der Alla-Prima-Malerei
Einige berühmte Werke gelten als Paradebeispiele der Direktmalerei:
- Frans Hals’ Porträts: lockere Pinselstriche, energetische Ausstrahlung
- Monets „Impression, soleil levant“ – Namensgeber des Impressionismus
- Van Goghs „Sternennacht“ (zwar nicht rein Alla Prima, aber mit deutlicher Nass-in-Nass-Technik)
Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Künstler die Methode interpretieren können.
6. Alla Prima in der zeitgenössischen Kunst
Heute ist Alla Prima lebendiger denn je. Viele Plein-Air-Maler sowie urbane Künstler nutzen die Technik, um spontane Stimmungen einzufangen. Auch in Kunstakademien wird sie als Übung in Beobachtungskraft und Spontaneität vermittelt.
Die Techniken haben sich erweitert: Mischungen aus traditioneller Ölmalerei, Acryltechniken und sogar digitale Alla-Prima-Ansätze mit Tablets sind mittlerweile verbreitet.
7. Warum Alla Prima auch für Anfänger spannend ist
Interessanterweise eignet sich Alla Prima nicht nur für Profis, sondern auch für Anfänger:
- Sie lernen, sich schnell zu entscheiden, anstatt ewig zu korrigieren.
- Sie entwickeln ein Gefühl für Farbe, Kontrast und Komposition.
- Fehler werden Teil des Prozesses – und können das Bild sogar beleben.
Viele Kunstlehrer empfehlen Anfängern, kleine Alla-Prima-Studien zu malen, um ihren Stil zu entwickeln.
Alla Prima ist mehr als nur eine Maltechnik. Sie ist eine Philosophie: die Kunst, den Moment einzufangen. Der Künstler tritt in einen direkten Dialog mit Leinwand, Farbe und Pinsel – ohne Umwege, ohne Verstecken.
Das Ergebnis sind Bilder voller Energie, Klarheit und Lebendigkeit. Für viele ist es genau dieser unmittelbare Ausdruck, der Kunst zeitlos faszinierend macht.
Quellen
- „What is Alla Prima Painting?“ – Royal Talens
https://www.royaltalens.com/en/articles/what-is-alla-prima-painting/ - „Alla Prima Painting Technique Explained“ – Jackson’s Art Blog
https://www.jacksonsart.com/blog/2021/04/07/alla-prima-painting-technique-explained/ - „Direct Painting and Alla Prima“ – Winsor & Newton
https://www.winsornewton.com/na/articles/technique/direct-painting-and-alla-prima/ - „Origins of Alla Prima in Art History“ – Encyclopedia of Art
https://www.visual-arts-cork.com/paintings/alla-prima.htm