In der Welt des Films gibt es Begriffe, die weit über die Leinwand hinausstrahlen und zum Allgemeinwissen von Cineasten geworden sind. Einer dieser Begriffe ist der „MacGuffin“. Für viele ist er ein vertrautes Konzept, doch was genau verbirgt sich hinter diesem faszinierenden Begriff? Wie hat Alfred Hitchcock, der Meister des Suspense, diesen narrativen Trick genutzt, um seine Filme unvergesslich zu machen? In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt des MacGuffins ein, erkunden seine Definition, seine Ursprünge und analysieren, wie Hitchcock dieses Werkzeug perfektionierte, um Spannung, Drama und Emotionen zu erzeugen. Dieser Artikel ist nicht nur für Filmfans gedacht, sondern für alle, die die Kunst des Geschichtenerzählens besser verstehen möchten.
Der MacGuffin ist ein Begriff, der oft mit einem Augenzwinkern ausgesprochen wird, denn er beschreibt ein Element, das zugleich zentral und doch seltsam unwichtig ist. Es ist das Objekt, das die Handlung antreibt, die Figuren motiviert und das Publikum in den Bann zieht – nur um dann oft in den Hintergrund zu treten. Doch gerade diese scheinbare Trivialität macht den MacGuffin so genial. Lassen Sie uns gemeinsam in die faszinierende Welt dieses Konzepts eintauchen und entdecken, warum Hitchcocks Einsatz des MacGuffins die Filmgeschichte geprägt hat.
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Was ist ein MacGuffin?
Definition und Ursprung
Ein MacGuffin ist ein Handlungselement in einem Film oder einer Geschichte, das die Charaktere antreibt und die Handlung in Gang setzt, ohne dass es selbst von großer inhaltlicher Bedeutung ist. Es kann ein Objekt, eine Person, ein Ereignis oder sogar eine Idee sein, die für die Figuren essenziell ist, für die Zuschauer jedoch oft vage oder unwichtig bleibt. Der Begriff wurde von dem britischen Drehbuchautor Angus MacPhail geprägt, aber es war Alfred Hitchcock, der ihn in den 1930er-Jahren populär machte und zu einem festen Bestandteil der Filmterminologie erhob.
Hitchcock selbst beschrieb den MacGuffin in einer berühmten Anekdote, die er 1939 in einer Vorlesung an der Columbia University erzählte: Zwei Männer unterhalten sich in einem Zug. Einer fragt: „Was ist das für ein Paket im Gepäckfach?“ Der andere antwortet: „Das ist ein MacGuffin.“ „Was ist ein MacGuffin?“ fragt der erste. „Ein Gerät, um Löwen im schottischen Hochland zu fangen“, erklärt der zweite. Der erste wendet ein: „Aber es gibt doch keine Löwen im schottischen Hochland!“ Darauf der andere: „Na, dann ist das auch kein MacGuffin!“ Diese humorvolle Geschichte verdeutlicht die Essenz des MacGuffins: Er ist ein narrativer Trick, der die Handlung vorantreibt, ohne dass seine genaue Natur von Bedeutung ist.
Merkmale eines MacGuffins
Ein MacGuffin zeichnet sich durch mehrere charakteristische Merkmale aus:
- Motivation der Charaktere: Der MacGuffin ist das Ziel, das die Figuren antreibt. Ob es sich um geheime Dokumente, einen Schatz oder eine mysteriöse Person handelt – die Charaktere setzen alles daran, ihn zu erreichen oder zu schützen.
- Irrelevanz für das Publikum: Während die Figuren den MacGuffin leidenschaftlich verfolgen, bleibt seine genaue Bedeutung für die Zuschauer oft nebulös. Hitchcock betonte, dass „das Publikum sich nicht wirklich um den MacGuffin kümmert“ – es ist die Reise, die fesselt, nicht das Ziel.
- Flexibilität: Ein MacGuffin kann fast alles sein – ein physisches Objekt wie ein Schmuckstück, ein abstraktes Konzept wie ein Geheimnis oder sogar eine Person. Seine Austauschbarkeit ist ein Schlüsselmerkmal.
- Frühe Einführung: Typischerweise wird der MacGuffin in der ersten Hälfte des Films eingeführt, um die Handlung in Gang zu setzen. Später verliert er oft an Bedeutung, während andere Elemente der Geschichte in den Vordergrund treten.
Die Philosophie des MacGuffins
Der MacGuffin ist mehr als nur ein Handlungstrick; er ist eine Philosophie des Geschichtenerzählens. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die menschlichen Konflikte, die Emotionen und die Spannung, die durch die Verfolgung eines Ziels entstehen. Hitchcock verstand, dass das Publikum nicht primär an den Details eines geheimen Dokuments oder einer mysteriösen Maschine interessiert ist, sondern an den dramatischen Konsequenzen, die sich aus dem Streben danach ergeben. Diese Erkenntnis machte ihn zum Meister des MacGuffins.
Alfred Hitchcock und der MacGuffin: Ein meisterhaftes Zusammenspiel
Hitchcocks Liebe zum Suspense
Alfred Hitchcock, oft als „Meister des Suspense“ bezeichnet, war ein Regisseur, der das Publikum mit raffinierten Techniken und psychologischer Tiefe in seinen Bann zog. Seine Filme sind Meisterwerke der Spannung, und der MacGuffin war eines seiner liebsten Werkzeuge, um diese Spannung zu erzeugen. Für Hitchcock war der MacGuffin ein Mittel zum Zweck – ein Katalysator, der die Handlung in Gang setzte und die Charaktere in gefährliche, dramatische oder komische Situationen stürzte.
Hitchcock glaubte, dass der MacGuffin am effektivsten war, wenn er möglichst vage blieb. In einem Interview mit François Truffaut im Jahr 1966 erklärte er: „Der MacGuffin ist das, was die Spione wollen, aber das Publikum nicht kümmert.“ Diese Haltung erlaubte es ihm, den Fokus auf die emotionale Reise der Charaktere zu legen, während der MacGuffin als bloßer Auslöser diente.
Frühe Beispiele: „The 39 Steps“ (1935)
Einer der frühesten und bekanntesten Einsätze eines MacGuffins findet sich in Hitchcocks Film The 39 Steps (1935). Hier ist der MacGuffin ein Satz geheimer Pläne für ein fortschrittliches Flugzeug, die im Gedächtnis einer Varieté-Figur namens „Mr. Memory“ gespeichert sind. Der Protagonist Richard Hannay, gespielt von Robert Donat, wird durch eine Reihe von Missverständnissen und Verwicklungen in einen Spionagefall verstrickt, als er versucht, diese Pläne vor feindlichen Agenten zu schützen.
Die Pläne selbst sind für die Zuschauer kaum von Belangen. Was fesselt, ist Hannays verzweifelte Flucht, die romantische Spannung mit seiner unfreiwilligen Begleiterin Pamela und die atemlose Jagd durch Großbritannien. Der MacGuffin erfüllt hier seine Funktion perfekt: Er treibt die Handlung voran, ohne die Aufmerksamkeit von den wahren Stärken des Films – Suspense, Charakterentwicklung und visuelle Erzählkunst – abzulenken.
Komplexere MacGuffins: „The Lady Vanishes“ (1938)
In The Lady Vanishes (1938) zeigt Hitchcock, wie vielseitig ein MacGuffin sein kann. Der MacGuffin in diesem Film ist eine verschlüsselte Melodie, die von einer älteren Dame, Miss Froy, mit sich getragen wird. Diese Melodie enthält ein Staatsgeheimnis, das Spione zu stehlen versuchen. Als Miss Froy verschwindet, beginnt eine spannende Suche, die die junge Iris Henderson und ihren Verbündeten Gilbert in ein Netz aus Intrigen und Täuschungen führt.
Die verschlüsselte Melodie ist ein brillantes Beispiel für einen MacGuffin, der nicht nur die Handlung antreibt, sondern auch thematisch mit der Geschichte verwoben ist. Musik als Träger eines Geheimnisses ist ungewöhnlich und verleiht dem Film eine einzigartige Note. Dennoch bleibt die genaue Natur des Geheimnisses für die Zuschauer zweitrangig – es ist die wachsende Spannung und die Dynamik zwischen den Charakteren, die den Film unvergesslich machen.
Der MacGuffin als Ablenkung: „Psycho“ (1960)
Einer der berühmtesten MacGuffins in Hitchcocks Werk findet sich in Psycho (1960). Hier ist es das gestohlene Geld, das Marion Crane aus ihrem Büro mitnimmt, um mit ihrem Geliebten ein neues Leben zu beginnen. Dieses Geld treibt die erste Hälfte des Films an: Marions Flucht, ihre paranoia und die Verfolgung durch die Polizei drehen sich alle um diesen Betrag. Doch in einem genialen narrativen Twist wird das Geld nach Marions schockierendem Tod im Bates Motel irrelevant. Der MacGuffin wird durch die dunklere, psychologischere Geschichte um Norman Bates und seine Geheimnisse ersetzt.
Hitchcock nutzt den MacGuffin hier, um das Publikum zu täuschen. Die Zuschauer werden dazu verleitet, sich auf das Geld zu konzentrieren, nur um dann in eine völlig andere Richtung gelenkt zu werden. Dieser Trick zeigt Hitchcocks Meisterschaft darin, Erwartungen zu manipulieren und Spannung aufzubauen.
Der MacGuffin in „North by Northwest“ (1959)
In North by Northwest (1959) verwendet Hitchcock einen weiteren ikonischen MacGuffin: geheime Regierungsdokumente, die auf Mikrofilm gespeichert sind. Der Protagonist Roger Thornhill, gespielt von Cary Grant, wird aufgrund einer Verwechslung in eine waghalsige Verfolgungsjagd verwickelt, in der Spione versuchen, diese Dokumente zu stehlen. Die genaue Natur der Dokumente bleibt absichtlich vage – in einer Szene wird sie als „Regierungsgeheimnisse“ abgetan, ohne weitere Details zu liefern.
Was diesen MacGuffin so effektiv macht, ist die Art und Weise, wie er die Handlung antreibt, ohne die Aufmerksamkeit von Thornhills verzweifelter Flucht und seiner Romanze mit Eve Kendall abzulenken. Die ikonischen Szenen – wie die Verfolgungsjagd durch ein Maisfeld oder der Showdown auf dem Mount Rushmore – wären ohne den MacGuffin nicht möglich, doch es ist die emotionale Reise der Charaktere, die im Mittelpunkt steht.
Der MacGuffin jenseits von Hitchcock
George Lucas und eine neue Perspektive
Während Hitchcock den MacGuffin als etwas definierte, das für die Zuschauer unwichtig ist, vertrat George Lucas, der Schöpfer von Star Wars, eine andere Philosophie. Lucas argumentierte, dass ein MacGuffin auch für das Publikum von Bedeutung sein sollte. Ein prominentes Beispiel ist R2-D2 in Star Wars: Episode IV – A New Hope (1977). Der kleine Droide trägt die Pläne des Todessterns, die für die Rebellen entscheidend sind. Doch anders als bei Hitchcocks MacGuffins wird R2-D2 zu einem geliebten Charakter, der das Publikum emotional bindet.
Lucas’ Ansatz zeigt, wie vielseitig der MacGuffin sein kann. Während Hitchcock den MacGuffin als reinen Plot-Treiber nutzte, sah Lucas ihn als Möglichkeit, das Publikum stärker in die Geschichte einzubinden. Beide Ansätze haben ihre Meriten, und sie zeigen, wie flexibel das Konzept in der modernen Filmerzählung ist.
Beispiele aus der Popkultur
Der MacGuffin ist nicht auf Hitchcocks Filme beschränkt; er ist ein universelles Werkzeug, das in vielen Genres verwendet wird. Einige bekannte Beispiele sind:
- Der Malteser Falke in The Maltese Falcon (1941): Die mysteriöse Statuette treibt die Handlung an, doch ihre wahre Natur bleibt zweitrangig gegenüber den Intrigen und Verrat der Charaktere.
- Die Transitpapiere in Casablanca (1942): Diese Papiere sind der Schlüssel zur Flucht aus der Stadt, doch die emotionale Geschichte von Rick und Ilsa steht im Vordergrund.
- Der Koffer in Pulp Fiction (1994): Der Inhalt des leuchtenden Koffers bleibt ein Rätsel, aber er motiviert die Charaktere und treibt die komplexe Handlung voran.
Diese Beispiele zeigen, wie der MacGuffin in verschiedenen Kontexten funktioniert, von klassischen Noir-Filmen bis hin zu modernen Blockbustern.
Warum funktioniert der MacGuffin?
Psychologische Wirkung
Der MacGuffin ist so effektiv, weil er die menschliche Neugier und das Bedürfnis nach Konflikt anspricht. Indem er die Charaktere in Bewegung setzt, schafft er Spannung und Drama, die das Publikum fesseln. Gleichzeitig erlaubt seine Vageheit den Zuschauern, sich auf die emotionalen und psychologischen Aspekte der Geschichte zu konzentrieren, anstatt sich in technischen Details zu verlieren.
Hitchcock verstand diese Dynamik meisterhaft. Er wusste, dass die Zuschauer nicht die Einzelheiten eines geheimen Dokuments verstehen müssen, um mit den Charakteren mitzufiebern. Der MacGuffin ist ein Katalysator für Emotionen – Angst, Verlangen, Verrat –, und genau diese Emotionen machen einen Film unvergesslich.
Die Kunst der Ablenkung
Ein weiterer Grund für die Wirksamkeit des MacGuffins ist seine Fähigkeit, das Publikum zu täuschen. Indem er die Aufmerksamkeit auf ein scheinbar wichtiges Objekt lenkt, kann der Regisseur die wahren Themen der Geschichte – wie Liebe, Identität oder Moral – subtil entwickeln. Dies ist besonders in Hitchcocks Filmen offensichtlich, wo der MacGuffin oft als roter Hering dient, der die Zuschauer auf eine falsche Fährte lockt.
Ein zeitloses Werkzeug
Der MacGuffin bleibt auch im modernen Kino relevant, weil er universell einsetzbar ist. Ob in einem Actionfilm, einer romantischen Komödie oder einem Science-Fiction-Epos – ein MacGuffin kann jede Geschichte vorantreiben. Seine Flexibilität und Einfachheit machen ihn zu einem zeitlosen Werkzeug für Drehbuchautoren und Regisseure.
Hitchcocks Vermächtnis und der MacGuffin heute
Einfluss auf moderne Filmemacher
Hitchcocks Einsatz des MacGuffins hat Generationen von Filmemachern inspiriert. Regisseure wie Steven Spielberg, Quentin Tarantino und Christopher Nolan haben das Konzept aufgegriffen und auf ihre eigene Weise interpretiert. Spielberg beispielsweise nutzte die Bundeslade in Raiders of the Lost Ark (1981) als einen MacGuffin, der sowohl für die Charaktere als auch für das Publikum von Bedeutung ist, und schuf damit einen Blockbuster, der Lucas’ Philosophie folgt.
Tarantino hingegen kehrt in Pulp Fiction zu Hitchcocks Ansatz zurück, indem er den Inhalt des Koffers bewusst im Dunkeln lässt. Nolan wiederum spielt in Filmen wie Inception (2010) mit komplexeren MacGuffins, die sowohl narrativ als auch thematisch mit der Geschichte verknüpft sind.
Der MacGuffin in anderen Medien
Der MacGuffin ist nicht nur auf Filme beschränkt. In der Literatur finden wir ihn in Werken wie Der Herr der Ringe, wo der Eine Ring als MacGuffin dient, oder in Videospielen, wo Quests oft von einem nebulösen Ziel angetrieben werden. Sogar in Fernsehserien, wie Lost, wo mysteriöse Objekte und Geheimnisse die Handlung vorantreiben, ist der Einfluss des MacGuffins spürbar.
Die Kunst des Geschichtenerzählens
Letztlich ist der MacGuffin ein Beweis für die Macht des Geschichtenerzählens. Er erinnert uns daran, dass es nicht immer die Details sind, die zählen, sondern die Emotionen, die Konflikte und die menschlichen Erfahrungen, die eine Geschichte zum Leben erwecken. Hitchcock verstand dies besser als die meisten, und sein Vermächtnis lebt in jedem Film weiter, der einen MacGuffin nutzt, um das Publikum zu fesseln.
Der MacGuffin ist ein faszinierendes Konzept, das die Kunst des Filmemachens auf den Punkt bringt: Es geht nicht um das „Was“, sondern um das „Wie“. Alfred Hitchcock nutzte den MacGuffin, um seine Geschichten in Bewegung zu setzen, die Zuschauer emotional zu binden und unvergessliche Momente der Spannung zu schaffen. Von den geheimen Plänen in The 39 Steps über die verschlüsselte Melodie in The Lady Vanishes bis hin zum gestohlenen Geld in Psycho – Hitchcocks MacGuffins sind Meisterwerke der narrativen Ökonomie.
Für angehende Filmemacher und Drehbuchautoren ist der MacGuffin eine Lektion in der Kunst der Ablenkung und der Motivation. Er zeigt, wie man mit minimalen Mitteln maximale Wirkung erzielen kann. Für Zuschauer ist er ein unsichtbarer Begleiter, der uns durch die Handlung führt, ohne dass wir seine wahre Natur immer verstehen müssen. In einer Welt, in der Geschichten oft durch Komplexität überladen sind, bleibt der MacGuffin ein zeitloses Werkzeug, das Einfachheit und Spannung vereint.
Quellen
- Wikipedia: MacGuffin
- Merriam-Webster: MacGuffin Definition
- Britannica: MacGuffin Definition and Examples
- No Film School: What is a MacGuffin?
- Open Culture: Alfred Hitchcock Explains the Plot Device He Called the ‚MacGuffin‘

