Der Impressionismus, eine der bahnbrechendsten Kunstrichtungen des 19. Jahrhunderts, wird oft mit Namen wie Claude Monet, Edgar Degas oder Auguste Renoir in Verbindung gebracht. Dabei dominierte lange Zeit die Vorstellung, dass Frauen im Impressionismus vor allem als Modelle oder Motive dienten – hübsche Gestalten, die für die männlichen Künstler Anlass und Inspiration waren. Doch diese Sichtweise spiegelt nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wider. Frauen nahmen im Impressionismus eine vielschichtige Rolle ein: Sie waren Künstlerinnen, Musen, soziale Akteurinnen und mitunter auch entscheidende Impulsgeberinnen eines künstlerischen Umbruchs.
Amazon Shopping
Unterstützen Sie uns durch Ihren Einkauf bei Amazon. Keine zusätzlichen Kosten für Sie!
Jetzt einkaufen →Amazon Einkäufe unterstützen uns ❤️
Impressionismus und die soziale Stellung der Frauen im 19. Jahrhundert
Der Impressionismus entwickelte sich in einer Epoche großer sozialer Umbrüche: Die industrielle Revolution veränderte das städtische Leben, neue soziale Klassen entstanden, und damit wuchsen auch die Forderungen nach mehr Rechten, etwa für Frauen. Dennoch waren Frauen in Kunst und Gesellschaft massiv eingeschränkt: Akademische Kunstschulen ließen Frauen oft nicht zu, öffentliche Auftritte eines weiblichen Künstlers oder gar Ausstellungen blieben die Ausnahme. Kunst wurde von der männlichen Elite dominiert, und Frauen waren überwiegend auf den häuslichen Bereich und konventionelle Rollen beschränkt.
Gleichzeitig wurde die Beziehung zwischen Kunst und Geschlecht kritisch neu betrachtet: Frauen waren nicht nur passiver Gegenstand männlicher Blicke, sondern allmählich auch aktiv im Künstlerdasein präsent. Der Impressionismus, mit seiner Absage an die strengen akademischen Regeln und seiner Hinwendung zur Darstellung alltäglichen Lebens in modernen Gesellschaften, bot weiblichen Künstlerinnen neue Freiräume. Das Leben der Frauen selbst wurde zu einem legitimen Sujet, von der Mutter-Kind-Beziehung bis zum Leben in urbanen und häuslichen Räumen.
Wie erkenne ich eine Kunstfälschung?
Die Künstlerinnen des Impressionismus: Berthe Morisot, Mary Cassatt und weitere Pionierinnen
Berthe Morisot: Die erste weibliche Stimme im Impressionismus

Berthe Morisot (1841–1895) gilt als eine der bedeutendsten weiblichen Impressionistinnen und war eine der wenigen Frauen, die von Anfang an aktiv an den Impressionisten-Ausstellungen teilnahmen. Aus einer wohlhabenden Familie stammend, wurde sie von Anfang an ermutigt, Malerin zu werden, was damals ungewöhnlich war. Morisot schulte unter Camille Corot und war eng mit Édouard Manet befreundet, den sie später heiratete.
Morisots Malstil zeichnet sich durch eine zarte, luftige Pinseltechnik, helle Farben und die Darstellung intimer Momente aus. Sie bevorzugte Szenen aus dem häuslichen Umfeld, etwa Frauen bei der Kindererziehung oder in stillen Interieurs, was andere männliche Impressionisten selten thematisierten. Ihr berühmtes Werk „The Cradle“ (1872) zeigt eine Mutter, aufmerksam und liebevoll ihr Kind im Bett beobachtend – eine Darstellung, die sowohl Zärtlichkeit als auch eine gewisse Melancholie ausdrückt.
Morisots Gemälde reflektieren die Komplexität weiblicher Erfahrungen und Rollen. Sie brach mit dem männlichen Blick und setzte Frauen nicht nur als Objekte der Betrachtung, sondern als handelnde Subjekte in Szene. Dabei hinterfragte sie implizit auch die gesellschaftlichen Einschränkungen der Frau – zum Beispiel durch ihre intensiven und oft ambivalenten Blicke. Trotz ihres Erfolgs musste sie aufgrund gesellschaftlicher Konventionen nach ihrer Heirat einen Großteil der Malerei hintenanstellen, was die Zwänge der Zeit für Frauen eindrucksvoll zeigt.
Mary Cassatt: Die amerikanische Rebellin der europäischen Kunstszene

Mary Cassatt (1844–1926) ist eine herausragende amerikanische Impressionistin, die vor allem für ihre intensiven Darstellungen von Frauen und Kindern bekannt wurde. Da sie in den USA keine umfassende künstlerische Ausbildung mit Aktzeichnen erhielt, zog sie nach Paris, wo sie in enger Verbindung mit den französischen Impressionisten, besonders Edgar Degas, tätig war.
Cassatt setzte sich mit bewusster Absicht für die Sichtbarkeit von Frauen im Kunstbetrieb und in der Gesellschaft ein. Ihre Kompositionen zeigen Frauen in privaten und öffentlichen Räumen, die ihre Rolle und Autonomie reflektieren, wie im Bild „The Child’s Bath“ (1893). Dabei öffnete sie mit ihrem Netzwerk auch amerikanischen Sammlern den Zugang zu Impressionismus und trug so wesentlich zur Verbreitung der Bewegung bei.
Ihr Werk stellt Frauen weder nur als dekorative Objekte noch als passive Betrachterinnen dar, sondern als eigenständige Persönlichkeiten mit Innenleben und Handlungsspielräumen. Cassatt engagierte sich später auch für Frauenrechte und zeigte damit, dass Kunst und gesellschaftliches Engagement Hand in Hand gehen können.
Weitere weibliche Künstlerinnen und ihre Einflüsse
Neben Morisot und Cassatt waren weitere Künstlerinnen wie Eva Gonzalès, Marie Bracquemond und Cecilia Beaux Teil des Impressionismus oder standen diesem nahe. Sie alle hatten mit den Barrieren einer männlich dominierten Kunstwelt zu kämpfen, brachten aber mit ihren Werken neue Perspektiven ein.
Diese Künstlerinnen wählten häufig Alltagsthemen und persönliche Szenen als Sujets, nahmen aber auch Einfluss auf Stil und Technik der Bewegung. Ihre Arbeiten erweiterten den Impressionismus um Dimensionen der Weiblichkeit, der Intimität und des häuslichen Raums, Themen, die bei männlichen Kollegen oft zu kurz kamen. Sie gelten heute als wichtige Pionierinnen, die nach Anerkennung und Sichtbarkeit kämpften.
Die Frauen als Modelle: Mehr als nur dekorative Objekte
Die traditionelle Sichtweise des Impressionismus stellt Frauen meist als Modelle – Musen, Geliebte oder Frauen im häuslichen Umfeld – dar. Zwar waren weibliche Modelle in vielen Werken präsent, doch ihre Rolle ist differenzierter zu betrachten.
Frauen wie Suzanne Leenhoff (die Ehefrau von Manet), Stéphanie Mallarmé (Muse bei Degas) oder andere Partnerinnen und Freundinnen dienten teilweise als Inspiration, waren aber oft auch aktive Begleiterinnen, Kritikerinnen und Unterstützerinnen. Sie wirkten mitunter als wichtige Bezugspunkte im künstlerischen Prozess.
In den Gemälden der Impressionisten erscheinen Frauen oft mit einem komplexen Ausdruck zwischen Selbstbewusstsein und Zurückhaltung, zwischen gesellschaftlicher Einengung und individueller Freiheit. Beispielhaft zeigt Degas‘ Bild „Die Loge“ (eine Frau in der Theaterloge), wie eine Frau in einer kontrollierten sozialen Umgebung zwar präsent, aber zugleich durch das Korsett gesellschaftlicher Zwänge eingeschränkt ist. So offenbaren diese Werke einen Einblick in die ambivalenten Realitäten weiblichen Lebens im 19. Jahrhundert.
Das Bild der modernen Frau im Impressionismus
Mit der Entstehung der Impressionismus-Bewegung zeichnete sich auch eine neue Vorstellung der „modernen Frau“ ab. Diese war zunehmend in der Stadt präsent, als Käuferin, Beobachterin, Flâneuse (weibliche Flaneurin) und gesellschaftliche Akteurin.
Impressionistische Malerinnen wie Morisot und Cassatt thematisierten diese moderne weibliche Existenz, sei es durch die Darstellung von Frauen in Pariser Cafés, auf Spaziergängen oder bei häuslichen Tätigkeiten. Dabei verband sich das Privileg, als Frau zu leben, mit den Herausforderungen gesellschaftlicher Grenzen.
Die weiblichen Impressionistinnen nutzten ihre Kunst, um diesem Widerspruch Ausdruck zu verleihen: Sie gaben den Frauen eine Stimme, die sowohl die Sehnsucht nach Freiheit als auch die Realität sozialer Begrenzungen zeigt. So entstanden Darstellungen, die Frauen als vielschichtige, lebendige und rechteinhabende Individuen zeigten – weit entfernt von bloßen dekorativen Motiven.
Frauen spielten im Impressionismus eine weit bedeutendere Rolle, als es das traditionelle Bild als „Modelle“ oder bloße „Motive“ vermuten lässt. Sie waren nicht nur die Subjekte der Kunstwerke, sondern selbst als Künstlerinnen wesentliche Impulsgeberinnen, die mit ihrem Blick, ihrem Stil und ihren Themen das Genre nachhaltig bereicherten.
Berthe Morisot, Mary Cassatt und ihre Kolleginnen brachen Konventionen, stellten soziale Strukturen infrage und zeigten einen neuen, weiblichen Blick auf das Leben. Ihre Werke haben die Kunstgeschichte geöffnet für neue Perspektiven und die Anerkennung weiblicher Kreativität im öffentlichen Raum. Die Frauen im Impressionismus sind so weit mehr als Modelle – sie sind Pionierinnen einer neuen Zeit und einer neuen Sicht auf die Rolle der Frau in Kunst und Gesellschaft.
Quellen
- „Women in Impressionist Art | Art of Fine Gifts – Blog.“ flamtreepublishing.com, 2024.
- „The women Impressionists forgotten by history.“ BBC Culture, 2022. https://www.bbc.com/culture/article/20180807-the-women-impressionists-forgotten-by-history
- „3 Women Who Shaped Impressionism.“ M.S. Rau, 2024. https://rauantiques.com/blogs/canvases-carats-and-curiosities/3-women-who-shaped-impressionism
- „Female Impressionists Every Art History Lover Should Know.“ artsy.net, 2018. https://www.artsy.net/article/artsy-editorial-7-female-impressionists-art-history-lover
- „Mary Cassatt Gave Women a Place in the Impressionist Movement.“ Smithsonian Women’s History, 2025. https://womenshistory.si.edu/blog/mary-cassatt-gave-women-place-impressionist-movement
- „Breaking Barriers: Berthe Morisot an Impressionism Pioneer.“ artsartistsartwork.com, 2024. https://artsartistsartwork.com/breaking-barriers-berthe-morisot-an-impressionism-pioneer/
- „Impressionism.“ Wikipedia, 2024. https://en.wikipedia.org/wiki/Impressionism