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Die Geschichte des „Moonwalk“ von Michael Jackson

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Der Begriff Moonwalk ist heute untrennbar mit dem Namen Michael Jackson verbunden. Als ikonisches Tanzsolo revolutionierte diese Bewegung die Popkultur und wurde zu einem Symbol für Innovation und Nostalgie in der Musikgeschichte. Doch der Moonwalk ist weit mehr als nur ein Bühnentrick – er besitzt eine komplexe Herkunft, brachte Generationen zum Staunen und beeinflusst bis heute Tänzer und Künstler weltweit. Dieser ausführliche Artikel beleuchtet die Entstehung, die kulturelle Bedeutung und die Entwicklung des Moonwalk, eingebettet in das Schaffen Michael Jacksons und die Geschichte afroamerikanischer Tanzkultur.

Was ist der Moonwalk?

Der Moonwalk ist ein Tanzschritt, bei dem der Performer scheinbar mühelos vorwärts läuft, während er sich tatsächlich rückwärts über die Bühne bewegt. Das visuelle Paradoxon, vorwärts zu gleiten und dabei rückwärts zu laufen, sorgt für einen magischen Effekt, der Zuschauer fasziniert. Die Technik erfordert Kontrolle, Balance und Präzision: Der Fuß schiebt sich rückwärts, während der andere auf Zehenspitzen verharrt, um die Illusion zu perfektionieren.

Michael Jackson selbst prägte den Namen „Moonwalk“ für diesen Schritt. Ursprünglich wurde das Element unter Tänzern in den 1970er- und 1980er-Jahren als „Backslide“ bezeichnet. Jacksons künstlerische Umbenennung verlieh dem Move einen mystischen, futuristischen Charakter und einen einzigartigen Wiedererkennungswert.

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Die Ursprünge des Moonwalk: Eine Zeitreise

Die frühen Wurzeln: Jazz, Stepptanz und Pantomime

Der Moonwalk hat eine weitreichende Vorgeschichte, die bis in die 1930er-Jahre reicht. Erste filmische Belege für den Sliding-Schritt finden sich bei Cab Calloway, der in den 1930ern eine Bewegung namens „The Buzz“ zeigte. Auch das Ragtime-Element „Camel Walk“ und das Stepptanzstück „Backslide“ gehören zum Repertoire der afroamerikanischen Tanzgeschichte.

Ein besonders wichtiger Meilenstein war die Performance des Stepptänzers Bill Bailey am Apollo Theater in New York bereits 1955. Sein tänzerischer „Backslide“ ist eine der frühesten dokumentierten Versionen des Moonwalks, bei der der Performer rückwärts über die Bühne gleitet. Bailey wird heute von Tanzforschern als ein wesentlicher Wegbereiter des Moonwalk betrachtet.

Hinzu kommt die wegweisende Rolle der Pantomime, insbesondere durch Künstler wie Marcel Marceau. Marceau wurde bekannt durch sein „Walking Against the Wind“-Motiv, das später zu einem Vorbild für den Moonwalk wurde. Mimes wie Shields and Yarnell brachten in den 1970er-Jahren den „Airwalk“ und verschiedenste Gleitbewegungen in Bühnenshows und TV-Formate ein, die die Ästhetik des Moonwalks beeinflussten.

Der Moonwalk in der Streetdance- und Funk-Kultur

Die eigentliche Geburtsstunde des modernen Moonwalks liegt in der afroamerikanischen Streetdance-Kultur der 1970er in Kalifornien. Dort entwickelte sich die Funk- und Popping-Szene mit Bewegungen wie „Backslide“ und „Boogaloo“. Tänzer wie Jeffrey Daniel (Shalamar) und Geron „Caszper“ Canidate gehörten zu den ersten, die den Schritt in Musik- und TV-Shows öffentlich präsentierten.

Jeffrey Daniel führte den „Backslide“ erstmals im britischen Fernsehen 1982 auf „Top of the Pops“ vor und verblüffte das Publikum. Viele Zuschauer glaubten, er trage Rollen an den Schuhen oder gleite auf einem geölten Parkett, so frappierend wirkte die Leichtigkeit seines Tanzes. Daniel war es, der den Schritt mit Elementen der Mime kombinierte und damit die Weichen für Michael Jacksons späteren Moonwalk stellte.

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Die Entstehung von Michael Jacksons Moonwalk

Inspiration und Lehrmeister

Obwohl Michael Jackson den Moonwalk popularisierte, gilt heute als gesichert, dass er die Technik von Streetdance-Vorreitern lernte. Eigene Tanztrainings absolvierte er mit Geron „Caszper“ Canidate und nahm Einzelstunden, um die Backslide- und gliding moves zu perfektionieren. Auch Jeffrey Daniel unterrichtete ihn, wie dieser in späteren Interviews bestätigte.

Jackson entwickelte aus diesen Vorbildern seine eigene, hochästhetisierte Version. Er kombinierte das Gleit-Element mit charakteristischen Posen, Spins und der stilprägenden Choreografie einer Solo-Performance. Dabei achtete er auf perfekte Synchronizität zwischen Bewegung und Musik, um einen maximalen Überraschungseffekt beim Publikum zu erzielen.

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Der legendäre „Motown 25“-Moment — Die Mondlandung der Popkultur

Das Konzert am 25. März 1983

Der 25. März 1983 markiert den wohl bedeutendsten Moment in der Geschichte des Moonwalks: Beim Jubiläumskonzert „Motown 25: Yesterday, Today, Forever“ im Pasadena Civic Auditorium betritt Michael Jackson im ikonischen Outfit die Bühne: schwarze Hose, silberne Socken, silbernes Hemd, die legendäre Paillettenjacke und dazu der einzelne, mit Kristallen besetzte Handschuh.

Während seiner Soloperformance zu „Billie Jean“ explodiert die Atmosphäre – Jackson präsentiert den Moonwalk zum ersten Mal vor Publikum. Seine Körpersprache, die zelebrierte Spannung und die fließende Bewegung, vereint mit den Synthesizer-Beats von „Billie Jean“, elektrisieren nicht nur die Anwesenden, sondern erzeugen einen unvergesslichen TV-Moment.

Die Aufzeichnung wurde am 16. Mai 1983 auf NBC ausgestrahlt und von rund 47 Millionen Menschen verfolgt. Innerhalb weniger Tage sprach die Welt über die „Mondlandung“ des King of Pop.

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Die globale Wirkung und Reaktionen

Direkt nach der Fernsehausstrahlung stand Michael Jackson im Zenit globaler Aufmerksamkeit. Seine Performance löste ekstatische Reaktionen, hysterische Fanszenen und ein weltweites Medien-Echo aus. Die Zuschauer waren schockiert und begeistert zugleich: „Ich erinnere mich, wie ich damals nur ‚OH SHIT!‘ gerufen habe … Das war der Moment, als MJ zum globalen Superstar wurde und das Momentum bis zu seinem Tod nie nachließ“ (Zeitzeugenbericht).

Die Ikonografie des Moonwalks wurde unmittelbar Teil der kollektiven Pop-Erinnerung. Kinder, Jugendliche und Profis begannen, den Schritt nachzuahmen. Der Moonwalk avancierte zum Signature-Move für „Billie Jean“ und zur choreografischen Blaupause für Musikvideos, TV-Shows und Livekonzerte. Die Kombination aus Musik, Tanz und Mode prägte fortan den Popdiskurs und steht als Inbegriff für Innovation und Nostalgie.

Die Technik und Ästhetik des Moonwalks

Die Perfektion des Moonwalks beruht auf einer Mischung aus physischer Disziplin, rhythmischer Abstimmung und Illusion. Die Grundtechnik besteht darin, mit einem Fuß flach über die Bühne zu gleiten, während der andere auf den Zehenspitzen verharrt. Die Gleitbewegung verlangt eine besondere Kontrolle des Körpergewichts und der Balance, das Synchronisieren der Schritte mit der Musik erzeugt die „schwebende“ Wirkung.

Jackson selbst verfeinerte die klassischen Elemente durch ständige Übung und Innovation. Er kombinierte Spins, gestische Pausen und Mimik, um Spannung und Überraschung zu erzeugen. Die Einbindung von Popping- und Mime-Elementen verstärkte den dramatischen Effekt und verlieh dem Schritt einen zeitlosen Charakter.

Kulturelle Bedeutung und zeitgeschichtlicher Einfluss

Afroamerikanische Tanztradition und Techniktransfer

Der Moonwalk stellt die Synthese eines langen kulturellen Transfers dar: Von den afroamerikanischen Roots des Jazz über Stepptanz bis zur Streetdance-Kultur. Die Performance vereinte dabei altehrwürdige Techniken mit moderner Musikkultur und verlieh dem historischen Erbe neue Lebenszeit und globale Relevanz.

Musikkritiker wie Ian Inglis sahen Jacksons Moonwalk als Zusammenfassung einer langen Tradition afroamerikanischer Tanzinnovation: „Jackson encapsulated a long tradition of African-American dance movements in that one performance“. Auch Nelson George beschrieb Jacksons Move als Fusion von Jackie Wilsons Athletik und James Browns Camel Walk, erweitert um die Virtuosität der Pantomime.

Nostalgie und Pop-Mythos

Die Wiederkehr des Moonwalks in Jacksons Konzerten, Videos und seinem Lebenswerk („Moonwalk“-Autobiografie, „Moonwalker“-Film) steht symbolisch für die zentrale Rolle von Nostalgie in der Musik. Das kollektive Erinnern an den „Motown 25“-Moment, das Wiedersehen von Jacksons Synchronbewegungen und das Erleben dieser Innovation in Popkultur und Werbung: All das zeugt vom nachhaltigen Zauber und der emotionalen Kraft des Moonwalks.

Der Moonwalk in der zeitgenössischen Kultur und Tanzszene

Der Moonwalk wurde nach 1983 zum globalen Signature-Move, kopiert und adaptiert von Tänzern, Musikern, Comedians und pantomimischen Künstlern. Zahlreiche Variationen und Weiterentwicklungen führen die Tradition fort, unter anderem in Streetdance-Battles, Hip-Hop-Choreografien und modernen Bühnenshows.

Jeffrey Daniel und Geron „Caszper“ Canidate blieben nach Jacksons Performance weiterhin prägend für die Hip-Hop- und Funk-Szene. Daniel choreografierte später für Jacksons Videos wie „Bad“ und „Smooth Criminal“ und prägte die Ästhetik von Musik-Videos im MTV-Zeitalter.

Kritische Perspektive: Wer „erfand“ den Moonwalk?

Die Frage nach dem „Erfinder“ des Moonwalk lässt sich historisch nicht eindeutig beantworten. Die Bewegung ist das Produkt jahrzehntelanger interkultureller Einflüsse und künstlerischer Innovationen. Klar ist: Michael Jackson hat den move nicht „erfunden“ – er hat ihn transformiert, international bekannt gemacht und in eine neue Dimension geführt.

Vielmehr ist der Moonwalk ein Symbol dafür, wie Popkultur ständig auf ältere Traditionen aufbaut und diese aktualisiert. Seine Bedeutung liegt weniger in der Erfindung als in der Neu-Interpretation, dem Moment der universellen Begeisterung und der Verwandlung eines Nischen-Tanzschritts in ein universelles Kulturgut.

Der Moonwalk als Teil von Michael Jacksons künstlerischem Erbe bietet einen Blick auf die tiefe Verbindung zwischen Innovation, Tradition und emotionaler Erinnerung in der Musik. Die Faszination des Moonwalks liegt in seiner scheinbaren Magie, seiner Verbindung zu den Wurzeln afroamerikanischer Tanzkultur und seiner Rolle als Formel für Nostalgie im Pop. Der Schritt verbindet Generationen, überschreitet kulturelle Grenzen und bleibt ein ewiges Symbol für musikalische und tänzerische Neuerfindung. In der Erinnerung und Rezeption steht der Moonwalk für das, was Musik und Tanz am stärksten ausmacht: Die Kraft, Menschen weltweit zu begeistern, zu verbinden und das Unmögliche möglich erscheinen zu lassen.

Quellen

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